Hermann Bote schrieb Anfang des 16. Jahrhunderts Chroniken und verschiedene politische Streitschriften. Sein bekanntestes Werk ist Till Eulenspiegel. Dieser war, wen wundert es, auch mal in Aschersleben.
Bei seinem Kurzbesuch trugen sich folgende Geschichten zu: “Wie Eulenspiegel sich bei einem Kürschner verdingte und bei ihm in der Stube furzte, damit ein Gestank den anderen vertriebe.” (Historie 50)
Einmal kam Eulenspiegel nach Aschersleben. Es war Wintersnot und teure Zeit. Er dachte: was willst du nun anfangen, um durch den Winter und die teure Zeit zu kommen? Es gab niemanden, der eines Gesellen bedurfte. Nur ein dort wohnender Kürschner wollte einen Gesellen annehmen, wenn einer von seinem Handwerk vorbeigewandert käme. Da dachte Eulenspiegel: was willst du tun? Es ist Winter und dazu teure Zeit; du musst leiden, was du leiden kannst, und musst es eben die ganze Winterzeit über aushalten. Und er verdingte sich bei dem Kürschner als Geselle.
Als er nun in der Werkstatt saß und Pelze nähen wollte, da war er des Geruches ungewohnt und sagte: “Pfui, pfui! Du bist so weiß wie Kreide und stinkst so übel wie Dreck!” Der Kürschner sagte: “Riechst du das nicht gern und setzt dich doch hierher? Dass es stinkt, das ist natürlich; es kommt von der Wolle, die das Schaf auf der Außenseite des Felles hat.” Eulenspiegel schwieg und dachte: ein Übel pflegt das andere zu vertreiben. Und er ließ einen so übelriechenden Furz, dass sich der Meister und seine Frau die Nase zuhalten mussten. Der Kürschner sprach: “Was machst du? Willst du üble Fürze lassen, so geh aus der Stube in den Hof und furze, soviel du willst.” Eulenspiegel sagte: “Das ist für einen Menschen viel natürlicher und gesünder als der Gestank von den Schaffellen.” Der Kürschner sprach: “Das sei gesund oder nicht, willst du furzen, so geh in den Hof!” Eulenspiegel sagte: “Meister, das wäre vergeblich; alle Fürze wollen nicht gern in der Kälte sein, denn sie sind immer in der Wärme. Und um das zu beweisen: lasst einen Furz, er geht Euch gleich wieder in die Nase in die Wärme, aus der er gekommen ist.”
Der Kürschner schwieg. Er merkte wohl, dass er genarrt wurde, und gedachte, Eulenspiegel nicht lange zu behalten. Dieser saß danach ruhig da, nähte, räusperte sich, spuckte aus und hustete die Haare aus dem Munde. Der Kürschner saß, sah ihn an und schwieg, bis sie abends gegessen hatten. Da sprach der Meister zu ihm: “Lieber Geselle, ich sehe wohl, dass du bei diesem Handwerk nicht gern bist. Mich dünkt, du seiest kein rechter Kürschnergeselle. Das merke ich an deinem Gebaren. Oder du bist nicht lange bei der Kürschnerei gewesen, denn du bist die Arbeit nicht gewohnt. Hättest du dabei auch nur vier Tage geschlafen, so ekeltest du dich nicht so darüber und fragtest auch nicht danach, und es wäre dir nicht so zuwider. Darum, mein lieber Geselle, hast du keine Lust, hier zu bleiben, so kannst du morgen dahin gehen, wo dein Pferd steht.” Eulenspiegel sagte: “Lieber Meister, Ihr sprecht die Wahrheit, ich bin noch nicht lange dabei gewesen. Wenn Ihr mir nun gestatten wollt, vier Nächte bei den Pelzen zu schlafen, damit ich ihrer gewohnt werde, dann sollt Ihr sehen, was ich leisten kann.” Damit war der Kürschner einverstanden, denn er bedurfte seiner, und Eulenspiegel konnte auch gut nähen.
“Wie Eulenspiegel bei einem Kürschner in trocknen und nassen Pelzen schlief, wie ihn der Kürschner geheißen hatte” (Historie 51)
DER KÜRSCHNER ging fröhlich mit seiner Hausfrau zu Bett. Eulenspiegel nahm die zubereiteten Felle, die auf den Trockengestellen hingen – er nahm die trockenen Felle, die gegerbt waren, und die nassen – und trug sie auf dem Dachboden zusammen. Er kroch mitten hinein und schlief bis an den Morgen. Da stand der Meister auf und sah, daß die Felle von den Gestellen weg waren. Er lief hastig auf den Dachboden und wollte Eulenspiegel fragen, ob er nichts von den Fellen wüßte. Doch er fand Eulenspiegel nicht, sah aber, daß die trockenen und die nassen Pelze auf dem Dachboden ganz durcheinander auf einem großen Haufen lagen. Da wurde er sehr bekümmert und rief mit weinender Stimme die Magd und die Frau.
Von dem Rufen erwachte Eulenspiegel, fuhr aus den Pelzen empor und sagte: “Lieber Meister, was ist mit Euch, daß Ihr so heftig ruft?” Der Kürschner verwunderte sich und wußte nicht, was in dem Haufen von Fellen und Pelzen war. Er sprach: “Wo bist du?” Eulenspiegel sagte: “Hier bin ich.” Der Meister sprach: “Daß dir nimmer Glück zuteil werde! Hast du mir die Pelze von den Gestellen genommen, die trocknen Felle und die nassen aus dem Kalk, sie hier zusammengelegt und verdirbst mir die einen mit den andern? Was ist das für ein Unsinn?” Eulenspiegel sagte: “Warum, Meister, werdet Ihr darum böse? Ich habe doch nicht mehr als eine Nacht darin gelegen! Ihr würdet viel böser sein, wenn ich die ganzen vier Nächte darin geschlafen hätte, von denen Ihr gestern abend spracht, da ich des Handwerks nicht gewohnt sei.” Der Kürschner sagte: “Du lügst wie ein böser Schalk! Ich habe dich nicht geheißen, mir die fertigen Pelze auf den Dachboden zu tragen, die nassen Felle aus der Beize zu holen, sie zusammenzulegen und darin zu schlafen!” Und er suchte einen Knüttel und wollte ihn schlagen.
Derweilen eilte Eulenspiegel die Stiege herab und wollte zur Tür hinauslaufen. Aber die Frau und die Magd kamen vor die Treppe und wollten ihn festhalten. Da rief er ungestüm: “Laßt mich nach dem Arzt gehn, mein Meister hat ein Bein gebrochen!” Also ließen sie ihn gehen. Sie liefen die Stiege hinauf, und der Meister kam die Stiege herunter, Eulenspiegel hastig nachlaufend. Er strauchelte und riß Frau und Magd im Fallen mit zu Boden, so daß sie alle drei beieinander lagen. Da lief Eulenspiegel zur Tür hinaus und ließ sie im Haus zusammen zurück.
Entnommen aus: “Ein kurzweiliges Buch von Till Eulenspiegel aus dem Lande Braunschweig” (Gutenberg-Projekt)</